Schreiben mit Stimmen
Das Forschungsprojekt untersucht bisher vernachlässigte Aspekte zur Komposition mit bzw. für Stimmen in technischen und aussermusikalischen kompositorischen Gestaltungsprozessen.
Fiche signalétique
- Départements participants Haute école des arts de Berne
- Institut(s) Institut Interprétation
- Unité(s) de recherche Intersections de la musique contemporaine
- Organisation d'encouragement FNS
- Durée (prévue) 01.02.2022 - 31.01.2026
- Direction du projet Dr. Michael Harenberg
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Équipe du projet
Mathieu Alexandre Corajod
Dr. Dorothea Schürch
Prof. Dr. Nicolas Donin - Partenaire Université de Genève
Situation
In der musikwissenschaftlichen Analyse der Musik der Nachkriegszeit stehen traditionelle Notationssysteme im Zentrum. Die Werke werden in der Regel anhand von Partituren und deren Erweiterungen in Form von Legenden und Grafiken betrachtet, die eine fortschreitende Innovation des musikalischen Materials suggerieren. Dabei geraten allerdings vor allem die strukturellen Parameter der Musik in den Fokus. So wurden Werke, die sich technischer Verschriftlichungssysteme bedienen, wie sie seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Tonband existieren, ebenso vernachlässigt wie zahlreiche Werke zeitgenössischer Musik, die sich einer ausschliesslich semiotischen Beschreibung strukturell entziehen.
Approche
Am historischen Anfang des audiotechnisch-physiologischen Schreibens mit Stimmen stehen unter anderem die Werke der französischen lettristischen Stimmkünstler und Avantgardisten François Dufrène (1930–1982) und Gil Joseph Wolman (1929–1995), die ihre poésie physique ohne Partitur direkt auf Tonband produzierten. Davon ausgehend werden die historischen Anfänge des Komponierens medialer Stimmen in den 1950er- und 1960er-Jahren untersucht, die das komplexe Zusammenspiel von Stimmführung, Umgang mit dem Mikrofon und die technisch-kompositorische Handhabung des Tonbands thematisieren.
Résultat
Sowohl die Entstehungsprozesse im Werk Hans Wüthrichs als auch die medialen Zugänge der Ultra-Lettristen erweitern Schreibprozesse mit und für die Stimme. Selbst da, wo eine Partitur im herkömmlichen Sinne existiert, wird mit der Stimme oft improvisiert, wird Stimmmaterial durch aussermusikalische Praktiken oder technische Medien, wie das Tonband, vorgebildet. «Schreiben mit Stimmen» fragt nach Kompositionsstrategien und Ästhetiken zeitgenössischer Musik, wie sie sich in diesen gesellschaftlichen und technologischen Bezügen präsentieren. Fokussiert werden kompositorische Strategien, die in Konkurrenz zur traditionellen Notenschrift stehen, da sie sich sowohl an der aufgezeichneten Stimme als auch an ihren aussermusikalischen Referenzsystemen orientieren.