Yvonne Schmidt
«Wir erzählen andere Geschichten»
«Der Begriff Nachhaltigkeit ist sehr weit gefasst und unspezifisch. Man sollte also immer präzisieren, auf was sich Nachhaltigkeit bezieht – zum Beispiel auf die Inklusion von Menschen mit einer Behinderung im Kontext sozialer Nachhaltigkeit. Ich bin überzeugt, dass die Künste einen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft leisten können. Wir Künstler*innen beleuchten die Themen von einer anderen Seite, erzählen andere Geschichten. So machen wir sie einem breiteren Publikum zugänglich und verständlich.
Ich leite an der HKB zwei Forschungsprojekte des Schweizerischen Nationalfonds. Beim einen geht es um nachhaltige Formen, mit denen Kunst unter die Menschen gebracht werden kann. Ist es noch sinnvoll, dauernd von Festival zu Festival zu reisen? Wir beziehen dabei Künstler*innen mit einer Behinderung mit ein: Die haben oftmals gar nicht die Möglichkeit, mit ihrer Kunst unterwegs zu sein. Während der Pandemie sind sehr viele digitale Formate entstanden. Es gibt aber auch eine Künstlerin, die ihr Bett auf Reisen schickt und über Lautsprecher mit ihrem Publikum kommuniziert. Im Rahmen des transdisziplinären EcoArtLab der HKB arbeiten wir zudem mit dem Geographischen Institut der Universität Bern zusammen. Wir untersuchen, inwiefern Kollaborationen zwischen den Künsten, der Klimaforschung und der Gesellschaft dabei helfen können, den Klimawandel einem neuen Publikum näher zu bringen.
Das alles ist auch eine Chance für HKB-Student*innen. Die Berufswelt verändert sich ständig. Die Student*innen müssen sich also laufend neue Kompetenzen aneignen. Dazu gehört die transdisziplinäre Zusammenarbeit. Ich bin im Moment in Kontakt mit einer Professorin der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften, deren Spezialgebiet der Bodenschutz ist. Wir entwickeln gemeinsam ein Lehrangebot. Bald biete ich zusammen mit dem Umweltforum ProClim ein Modul an, in dem wir Klimabilder der Zukunft entwerfen.
Längst nicht alle HKB-Abgänger*innen schaffen es, ausschliesslich als Künstler*innen zu arbeiten. Wir zeigen ihnen, dass es für sie ganz verschiedene Berufsfelder gibt. In meiner Ausbildung gab es das Fach Dramaturgie. Dort lernt man, wie man Dinge neu ordnet und anders denkt. Das kann man genauso gut in der Unternehmensberatung anwenden. Auch das ist Nachhaltigkeit.»
Das Gespräch führten Urs Zehnder und Peter Bader.