Giovanna Di Pietro
«Diverser werden und die Studierenden stärker einbeziehen»
In meinem Fachbereich gibt es einen Konflikt zwischen dem Ziel der Bewahrung der kulturellen Objekte und den übergeordneten Nachhaltigkeitszielen der Gesellschaft. Die klimatischen Bedingungen sind für die Erhaltung der Objekte wichtig. Je stabiler sie sind – desto besser für die Kunstwerke. Diese Stabilität wird häufig durch energieintensive Klimaanlagen erreicht, deren Betrieb den Nachhaltigkeitszielen zuwiderläuft.
In meiner Position als Physikprofessorin setze ich mich dafür ein, dass die Kompetenz der Studierenden und zukünftigen Restaurator*innen auch eine kritische Auseinandersetzung mit Energieverbrauch und Nachhaltigkeitszielen miteinschliesst. Die Menschen wollen einfache Massnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel die Temperatur an der HKB reduziert – eine einfache Massnahme, die sofort umgesetzt werden konnte. Reduzieren und verzichten ist wichtig. Die erste Frage bei Neuanschaffungen muss immer sein: Brauchen wir das?
Soziale Nachhaltigkeit ist ebenfalls wichtig. Aus Überzeugung engagiere ich mich in der Kerngruppe Diversity der HKB. Diesbezüglich muss die HKB noch viel unternehmen. Unser Ausbildungsprogramm spricht aktuell nur einen Teil der Gesellschaft an. Wenn wir attraktiver werden wollen, müssen wir unsere Wertesysteme und die Inhalte unserer Ausbildungen hinterfragen und aktiv dafür sorgen, dass mehr Menschen Zugang dazu haben und sich willkommen fühlen. Dieser Prozess muss sich auch in der Zusammensetzung des Lehrkörpers widerspiegeln. Zum Glück pushen uns auch die Studierenden. Es ist die Gesellschaft, die Diversität und Nachhaltigkeit will! Und die Studierenden verkörpern diesen Wandel.
Im Rahmen des Campus Swiss CRC habe ich im März 2023 erstmals einen Masterkurs zum Thema Nachhaltigkeit durchgeführt. Vier Institutionen, die in der Schweiz für die Ausbildung im Bereich der Konservierung und Restaurierung auf Hochschulebene zuständig sind, haben diesen Campus mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit in der Lehre und Forschung zu koordinieren: die Haute Ecole Arc Conservation-restauration (HE-Arc CR), die Haute école spécialisée de Suisse occidentale (HES-SO), die HKB und die Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI). Die Resonanz auf den Masterkurs war sehr positiv und hat noch bis in die Workshop-Klassen nachgehallt. Wenn wir also an der HKB eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, sollten wir die Studierenden einbeziehen. Es werden hier sehr viele gute Ideen kommen!
Die HKB sollte zuerst intrinsisch nachhaltiger werden. Das betrifft die soziale Nachhaltigkeit – die Anstellungsverfahren, die Aufnahme von Studierenden, die Transparenz. Es betrifft aber auch die technologische Seite: Heizung, Lüftung, Geräte und vieles mehr. Wenn wir eine neue Unternehmenskultur etabliert haben, können wir vermehrt an die Öffentlichkeit treten und ein Vorbild punkto nachhaltiger Entwicklung sein.
Das Gespräch führten Urs Zehnder und Thorsten Kaletsch.