Claudine Esseiva
«Die Student*innen sind die Entscheidungsträger*innen von morgen»
Für mich ist Nachhaltigkeit ein absolutes Megathema, das die Schweiz in den nächsten Jahren stark beschäftigen wird. Auf der einen Seite sind sich viele Wirtschaftsvertreter*innen gar nicht bewusst, was da regulatorisch auf sie zukommt. Ich befürchte, dass die Schweizer KMU nicht bereit sind für die Herausforderungen rund um die auf europäischer Ebene geforderte Berichterstattung. Viele empfinden das Thema als mühsam, sehen nur die Regulierungen und den Nachhaltigkeitsbericht, den man als Unternehmen zusätzlich erarbeiten. Sie sind noch nicht bereit, ihr Geschäftsmodell grundsätzlich zu überdenken. Auf der anderen Seite sehe ich die Gefahr, dass solche Regulierungen zu reinen Papiertigern werden. Vieles davon ist Green-Washing, der effektive Impact ist gering. Aktuell ist der Druck auf Firmen, ihre Produktionsprozesse neu zu denken und zu definieren, noch nicht da.
Im Alltag jedes und jeder Einzelnen liegt für mich der grösste Hebel. Nachhaltigkeit muss ein Gesellschaftsthema sein. Wenn wir im persönlichen Bereich kein Umdenken erreichen, kann die Wirtschaft nicht viel bewegen. Die Bildungsinstitutionen haben den Auftrag, den jungen Leuten das Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen zu vermitteln. Die Student*innen sind die Entscheidungsträger*innen von morgen. Wenn sie das jetzt lernen, können sie künftig die richtigen Entscheidungen treffen. Nachhaltigkeit als Gegenstand der Lehre bewirkt eine Befähigung der nächsten Generation. Dass sich die HKB auch in der Forschung mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt, finde ich zentral. Wir brauchen Ideen und Lösungen.
Dabei geht es zum Beispiel auch um den Umgang mit Materialien und um die Kreislaufwirtschaft. Kann man überhaupt gemäss dem Konzept der Kreislaufwirtschaft produzieren? Kann man so Kunst machen? Kunst kann sehr viel bewirken, wenn es um das Testen von Materialien geht. Hier bietet sich eine Brücke zum Handwerk an. Das täte der HKB gut, weil ihr ein bisschen etwas Elitäres anhaftet.
Die HKB hat punkto Nachhaltigkeit eine Vorbildfunktion. Sie kann zu einer Inspiration für Menschen werden. Und sie kann im Bereich von Partnerschaften viel erreichen. Sie darf hier nicht zwischen «guten» und «schlechten» Firmen unterscheiden, sondern muss so offen wie möglich sein. Gerade Unternehmen, die punkto Nachhaltigkeit nicht so gut dastehen, kann die HKB auf diese Weise inspirieren. Dabei kommt es auf den genauen Deal an. Ein reines Sponsoring funktioniert diesbezüglich nicht. Aber wenn ein solches Unternehmen die HKB besucht, wenn ein Dialog entsteht und man gemeinsam etwas erarbeitet, kann das viel bewirken.
Das Gespräch führten Urs Zehnder und Thorsten Kaletsch.