- Institut Materialität in Kunst und Kultur
Die Phasenzusammensetzung mittelalterlicher Hochbrandgipse
Steckbrief
- Lead-Departement(e) Hochschule der Künste Bern
- Institut(e) Institut – Materialität in Kunst und Kultur
- Förderorganisation Stiftung zur Förderung der Denkmalpflege, Zürich
- Laufzeit (geplant) 01.01.2018 - 31.12.2018
- Projektverantwortung Petra Dariz
- Projektleitung Petra Dariz
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Partner
BAM: Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin
SALSA: School of Analytical Sciences Adlershof, Humboldt Universität zu Berlin
BFH-Zentrum Arts in Context
Früh- bis spätmittelalterliche Stuckausstattungen bilden ein regionales, da an Gipsvorkommen korreliertes, kunsttechnologisches Spezifikum. Die aufgrund der damals technologischen Möglichkeiten hochgebrannten Mörtelbinder charakterisiert ein Phasengemisch aus diversen Anhydritstufen und Nebenbestandteilen der Gipslagerstätten. Ein neues Analyseverfahren eröffnet die Möglichkeit, die thermische Geschichte von Brenngutkörnern nachzuvollziehen. Es wird an Stuckarbeiten aus dem historischen Churrätien erprobt – unter Einbeziehung der Mineralogie des vermuteten Rohgipses und flankiert von kunsthistorischen Studien.
Ausgangslage
Bei mittelalterlichen Gipsmörteln handelt es sich fast durchwegs um hochgebrannte Bindemittel und somit um eine brandals auch kunsttechnologische Besonderheit, die heute nur in Ansätzen nachvollziehbar und nachzustellen ist. Beispielsweise lassen sich die Temperaturen, denen das stückige Ofengut ausgesetzt war, oder die Branddauer bisher nur vermuten. Im Rahmen einer Vorstudie hat die Raman-spektroskopische Untersuchung von nicht hydratisierten Brenngutkörnern in der Gipsmatrix nun Hinweise auf die effektiven Brenntemperaturen erbracht. Deshalb soll dieses neue Analyseverfahren an frühbis spätmittelalterlichen Stuckdekorationen sowie Vesperbildern aus dem historischen Einflussbereich des Bistums Chur in der Schweiz und in Südtirol angewandt und perfektioniert werden.
Vorgehen
Das Forschungsprojekt ist interdisziplinär angelegt, wenngleich die Themenfelder der anorganischen und analytischen Chemie im Vordergrund stehen, die mittels Polarisations-, Rasterelektronen- und Raman-Mikroskopie bearbeitet werden. So ist auch der Herkunft des genutzten Rohgipses nachzugehen, indem spezifische Begleitmineralien im mittelalterlichen Gipsmörtel, die den Hochbrand meist ohne grosse thermische Beeinträchtigung überstanden haben, mit den entsprechenden petrografischen Charakteristiken von Gipsvorkommen im Alpenraum verglichen werden. Dies ermöglicht, importierte ausländische Arbeiten von lokalen Schöpfungen zu unterscheiden und damit kunsthistorische Fragestellungen zu beantworten.
Lösung
Die Kenntnis der genauen Phasenzusammensetzung der mittelalterlichen Hochbrandgipse bildet die unverzichtbare Grundlage dafür, kompatible Restaurierungsmörtel zum Erhalt dieses besonderen Kulturgutes zu entwickeln. Die heute gängigen niedriggebrannten Stuckgipse unterscheiden sich in ihren mechanisch-physikalischen Eigenschaften stark vom mittelalterlichen hochgebrannten Pendant. Dadurch dass farbgebende lagerstättenspezifische Begleitminerale und eventuelle Zusatzstoffe in der Gipsmatrix identifiziert werden, lässt sich das moderne Bindemittel zudem bei gezielter Auswahl des Gipsgesteins auf das charakteristische Kolorit der mittelalterlichen Stuckmassen abstimmen.