Einflüsse Interprofessioneller Bildung

Interprofessionelle Bildung (IPB) ist eine Voraussetzung für Interprofessionelle Zusammenarbeit (IPZ). Mit IPB werden Lernende und Fachpersonen befähigt, das benötigte Wissen und die benötigten Werte und Einstellungen in der IPZ umzusetzen.

Steckbrief

  • Beteiligte Departemente Gesundheit
  • Institut(e) Geburtshilfe
  • Förderorganisation BFH
  • Laufzeit (geplant) 01.01.2021 - 31.12.2024
  • Projektleitung Jean Anthony Grand-Guillaume-Perrenoud
  • Projektmitarbeitende Prof. Dr. Eva Cignacco Müller
    Prof. Dr. Kai-Uwe Schmitt
    Dr. Anja Raab
  • Schlüsselwörter Interprofessionelle Bildung, Interprofessionelle Zusammenarbeit, Gesundheitsversorgung, Einstellungen, Einstellung von Gesundheitsfachpersonen, Einstellungsentwicklung, Zwischenmenschliche Beziehungen, Wahrnehmungen, Werte, Realist Synthesis, Strukturgleichungsmodelle, Moderated Mediation Analysis, Cross-Lagged Panel Models

Ausgangslage

Eine erfolgreiche IPB ist Aus-, Weiter- oder Fortbildung, der es gelingt, dass angehende und bereits praktizierende Gesundheitsfachpersonen (GFP) effizient und partnerschaftlich mit Mitarbeitenden anderer Berufe zusammenarbeiten. Im Kontext der IPB sind Werte und Einstellungen als ideale, potenzielle Handlungsweisen zu verstehen, die eine GFP als «gutes Verhalten für die Praxis» verinnerlichen sollte. Ein Beispiel wäre der «respektvolle, tolerante Umgang mit eigenen und fremden Meinungen, Rollenvorstellungen und -zuschreibungen.» Die richtigen Werte und Einstellungen zu haben ist wichtig, weil diese das professionelle Handeln beeinflussen. Werte haben einen breiteren, situationsübergreifenden Geltungsbereich, während Einstellungen sich auf spezifische Objekte oder Situationen beziehen. Für gelingende IPZ braucht es Fachpersonen, die eine positive Einstellung zu dieser haben, weil dieses mit positivem Handeln in der Praxis zusammenhängt. In diesem Dissertationsprojekt werden drei Teilstudien durchgeführt. Die erste Teilstudie entwickelt aufgrund einer systematischen Literaturreview eine Theorie über die Einflussmechanismen der IPB auf die Einstellung von Lernenden. In der Zweiten wird der Einfluss organisationaler Faktoren (u.a. Arbeitsbelastung) und individueller Faktoren (u.a. Bildung) auf die wahrgenommene Qualität von IPZ untersucht. In der Dritten wird untersucht, wie sich die Einstellung von Studierenden zu IPZ im Verlaufe des Studiums entwickelt.

Vorgehen

In den drei Teilstudien werden in Abhängigkeit von der Fragestellung jeweils unterschiedliche Methoden angewendet. Teilstudie 1 ist eine Realist Synthesis, eine Form von systematischer Literaturreview, welche Mittels qualitativer Analyse von Texten (u.a. publizierte Studien), die Einflussmechanismen identifiziert, auf welche Weise IPB die Einstellungen zu IPZ beeinflusst. Dabei werden auch Kontextfaktoren identifiziert. Ziel ist die Entwicklung einer umfassenden Theorie über den Einfluss von IPB auf die Einstellung zu IPZ, indem theoretische Erklärungen formuliert werden, wie bestimmte Kontexte in Verbindung mit bestimmten Mechanismen zu positiven Einstellungen führen. Teilstudie 2 ist eine quantitative Sekundäranalyse der Daten des Projekts «Schweizer Kohorte der Gesundheitsfachkräfte und pflegenden Angehörigen» (SCOHPICA). Mittels Strukturgleichungsmodellen wird untersucht, wie die Arbeitsbedingungen in einer Organisation (u.a. personelle Ressourcen, Arbeitsbelastung) mit individuellen Faktoren (z.B. Bildung) interagieren (moderiertes Mediationsmodell), um die wahrgenommene Qualität der IPZ zu beeinflussen. Teilstudie 3 entwickelt mittels Strukturgleichungsmodellierung ein kreuzverzögertes Paneldatenmodell mit Daten von Bachelor-Studierenden von Gesundheitsberufen. Der wechselseitige Einfluss zweier Bereiche der Einstellung zu IPZ (Einstellung zu Teamarbeit und Einstellung zur Gesundheitsversorgung) wird über die Zeit modelliert.

Ergebnisse

Positive Einstellungen werden in der IPB insbesondere von drei Mechanismen beeinflusst: 1) das Kennenlernen der anderen Teilnehmenden auf professioneller und persönlicher Ebene, 2) das Erleben positiver Gefühle während der IPB, 3) die Erfahrung, dass die verschiedenen Berufe voneinander abhängig sind, um komplexe Probleme in der Praxis zu lösen. Ein förderlicher IPB-Kontext bietet viel Möglichkeit für formellen und informellen Austausch, wird von kompetenten Lehrpersonen begleitet und sollte von den Studierenden als karriererelevant wahrgenommen werden. In der Berufspraxis haben die Arbeitsbedingungen (u.a. personelle Ressourcen, Arbeitsbelastung, Arbeitswertschätzung) einen signifikanten Einfluss auf die wahrgenommene Qualität der IPZ. Dieser Einfluss kann statistisch zum Teil durch die wahrgenommene Verhaltenskontrolle der GFPen erklärt werden. Unter statistischer Berücksichtigung der Einschätzung der GFPen, was sie in der Ausbildung gelernt haben in der Praxis umsetzen zu können, bleibt Letzterer der einzige signifikante Faktor, der die wahrgenommene Qualität der IPZ beeinflusst. Erste Ergebnisse der Teilstudie 3 zeigen, dass sich während des Studiums die beiden Aspekte der Einstellung zu IPZ positiv. Die Einstellung zu Teamarbeit ist stabiler als die Einstellung zur Gesundheitsversorgung. Die Einstellung zu Teamarbeit zu Beginn des Studiums hat einen leicht negativen Einfluss auf die Einstellung zur Gesundheitsversorgung am Ende des Studiums.

Ausblick

Das Projekt zeigte auf, wie unterschiedliche soziale Prozesse in der IPB eingebettet sind, die gezielt beeinflusst werden können, z.B. Mittels Curriculums-Entwicklung oder gezielter Veränderung der Lehr- und Lernkontexten. Unsere Forschung zeigte, dass es wichtig ist, Vertrauen, Respekt und gegenseitige Sympathie unter den Studierenden/GFPen aufzubauen, um eine positive Einstellung zu IPZ zu entwickeln. Der Aufbau von Vertrauen, Respekt und Sympathie kann biespielsweise gefördert werden, indem in der IPB speziell Wert gelegt wird, dass es es viel Gelegenheit für formelle und informelle Interaktionen gibt, z.B. durch Gruppenarbeiten, gemeinsame klinische Praktika und soziale Veranstaltungen. Indem in der IPB realistische Praxisbeispiele bearbeitet werden, nehmen die Teilnehmenden die Inhalte des Kurses als praxis- und karriererelevant wahr, was für die Förderung einer positiven Einstellung zu IPZ dienlich ist. Dieses Projekt baut auf theoretischen Zugängen aus Bildungsforschung, Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Soziologie sowie Erkentnissen aus empirischer Forschung zu IPB auf, um die Weiterentwicklung des IPB-Curriculums und der interprofessionelle Lehre in der Schweiz anzustossen. In Zusammenarbeit mit dem Swiss Learning Health Systems wird ein Austausch mit interessierten Stakeholdern stattfinden, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die zukünftige interprofessionelle Lehre einfliessen zu lassen.

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu den folgenden SDGs

  • 3: Gesundheit und Wohlergehen