Lösungen für Patient*innen, die sich bewähren

09.02.2024 Das neu gegründete BFH-Institut für patientenzentrierte digitale Gesundheit entwickelt Lösungen für die Praxis und will dafür sorgen, dass diese auch erfolgreich betrieben werden. Das grosse Ziel: Das Schweizer Gesundheitswesen soll effizienter werden.

Die Reaktionen seien überwältigend gewesen, erinnert sich Serge Bignens. «Wir haben viele Nachrichten, Glückwünsche und Kooperationsanfragen erhalten. Das zeigt, dass das neue Institut einem grossen Bedürfnis entspricht.» Zusammen mit Kerstin Denecke führt er das auf Anfang November 2023 gegründete BFH-Institut für patientenzentrierte digitale Gesundheit. Das Institut für Medizininformatik I4MI, das er davor geleitet hatte, sei thematisch sehr breit ausgerichtet, ergänzt er. «Mit dem neuen Institut stellen wir die Patient*innen in den Mittelpunkt. Zusammen mit Partnern aus der Industrie und der Gesundheitsversorgung wollen wir Lösungen entwickeln, von denen Patient*innen in ihrem Gesundheitsmanagement profitieren.» Das neue Institut strebe konkrete Verbesserungen des Schweizer Gesundheitswesens an, fügt Kerstin Denecke hinzu. «Wir erarbeiten Lösungen für die Praxis und wollen auch dafür sorgen, dass sie nachhaltig eingesetzt werden.»

Hilfe für Suizidgefährdete

Wie das konkret aussieht, dokumentieren zwei Projekte des jungen Instituts. Eines davon betrifft suizidgefährdete Personen. Weltweit nehmen sich jedes Jahr über 700 000 Menschen das Leben. Um Suizide und Suizidversuche zu reduzieren, lancierte die Luzerner Psychiatrie AG in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsförderung Schweiz und weiteren Partnern das Projekt «Suizidprävention: einheitlich regional organisiert» (SERO). Kernstück des Projekts ist eine von der BFH entwickelte App, die es Menschen erlaubt, besser mit ihren Suizidgedanken umzugehen. Teil der App ist die digitale Umsetzung eines Werkzeugs zur Selbsteinschätzung, mit dem die Betroffenen ihre Suizidalität beurteilen und Situationen erkennen, in denen sie besonders gefährdet sind. Hinzu kommt ein Sicherheitsplan, um mit solche Situationen umgehen zu können: Welche Gedanken helfen mir in solchen Situationen? Hat ein Spaziergang im Wald positiven Einfluss? Das mit der App erzeugte Bild der momentanen Suizidgefährdung kann bei Bedarf einfach und direkt an Vertrauens- oder Fachpersonen gesendet werden.

«Für die Entwicklung der App haben wir mehrere Workshops mit Betroffenen, Angehörigen und Fachpersonen durchgeführt. So konnten wir die Bedürfnisse und Anforderungen an die App sehr genau abklären», sagt Co-Leiterin Kerstin Denecke. Das Projekt läuft bis Ende 2024. Eine zweite, überarbeitete Version der App wurde Ende 2023 veröffentlicht. Für die BFH gehe es nun vor allem darum, den konkreten Nutzen der App abzuklären und mögliche Nebenwirkungen und Risiken zu erkennen, so Denecke.

Zu den Herausforderungen solcher Projekte gehört der Datenschutz: Mit der zunehmenden Nutzung von Patient*innendaten und deren Erhebung in digitalen Gesundheitslösungen wird er immer wichtiger. «In all unseren Projekten legen wir deshalb einen Schwerpunkt auf die Entwicklung sicherer Technologien», erklärt Serge Bignens.

«PROMs» schweizweit etablieren

Das gilt auch für das zweite Projekt: Um die Qualität der Gesundheitsversorgung zu messen und zu verbessern, werden immer häufiger Patient Reported Outcome Measures (PROMs) eingesetzt. Dabei handelt es sich in der Regel um Fragebögen, welche die Patient*innen zuhause oder begleitet von einer Gesundheitsfachperson ausfüllen. PROMs sind eine Ergänzung zu klinischen Werten. Sie fördern die patientenorientierte Behandlung und die Kommunikation zwischen Patient*innen und Ärzt*innen. Im Rahmen der «Gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrats 2020–2030» und der «Ziele des Bundesrates zur Qualitätsentwicklung für die Jahre 2022–2024» sollen solche PROMs schweizweit etabliert werden. Aus diesem Grund startete die Eidgenössische Qualitätskommission (EQK) ein Pilotprojekt. Eine Ausschreibung zu dessen Durchführung mithilfe der OpenPROMS-Plattform gewann ein Konsortium, zu dem unter anderem die Insel Gruppe und das neue gegründete Institut der BFH gehören.

Die Forschenden der BFH prüfen im Rahmen dieses Pilotprojekts die Akzeptanz einer international validierten Standard-PROMS-Befragung an 2 000 Patient*innen mit einer Herz-Kreislauf- oder einer Krebserkrankung aus allen drei Sprachregionen der Schweiz. Die Patient*innen beantworten über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten mindestens viermal einen Fragebogen. Dabei werden sie zu ihrem Gesundheitszustand und zu den Auswirkungen ihrer Behandlung befragt. Für die Datenerhebung entwickelten die Forschenden eine webbasierte Datenerfassungsanwendung. Diese stützt sich auf die Gesundheitsdatenplattform der MIDATA-Genossenschaft, die von Co-Institutsleiter Serge Bignens mitentwickelt wurde. Sie ermöglicht eine sichere und datenschutzkonforme Speicherung der Gesundheitsdaten.

«Effizienter und günstiger»

«Solche Fragebögen und die damit erhobenen Daten sind für die Patient*innen von konkretem Nutzen», sagt Serge Bignens. «Sie können so ihren Heilungsverlauf mit jenem von anderen vergleichen und erkennen, ob sie auf einem guten Weg sind. Das verschafft ihnen eine Perspektive.» Spitäler wiederum könnten die Qualität ihrer Behandlungen überprüfen. Vier Leistungserbringer nehmen bereits an den Umfragen teil. Zwei zusätzliche haben eine Teilnahme zugesagt und vier weitere sind interessiert. «Was die medizinische Versorgung betrifft, ist das Schweizer Gesundheitssystem führend», hält Serge Bignens fest. «In Sachen Qualitätskontrolle und Effizienz hinken wir international hingegen hinterher.» Es wäre deshalb wünschenswert, solche PROMs schweizweit einzusetzen. «Damit würde unser Gesundheitswesen effizienter und kostengünstiger.»

An vielen Projekten des neu gegründeten Instituts seien mehrere BFH-Departemente beteiligt, sagt Kerstin Denecke, etwa jene für Soziale Arbeit oder Gesundheit. «Und wir achten darauf, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen längerfristig bei uns bleiben. So können sie dafür sorgen, dass sich unsere Projekte in der Praxis nachhaltig bewähren.»

Autor: Peter Bader, textatelier.ch

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