HKB-Alumnus Benjamin Fischer befragt

11.09.2023 Er hat das Musiklehrerdiplom an der HKB gemacht und danach in Lugano und Bremen studiert. Seit 11 Jahren spielt er im «Ensemble New Babylon» Bremen, ist Lehrer und begnadeter Solist.

Porträtaufnahme des dunkelhaarigen Mannes. Er blickt in die Kamera und hält seine Oboe so, dass sie an seine linke Schulter lehnt. Er trägt die Haare kurz und lächelt in die Kamera.

«Ein eigenes künstlerisches Ich finden»

Als Oboist etabliert, widmet sich Benjamin Fischer bereits seit geraumer Zeit der Neuen Musik. Die HKB-Ausbildung liegt zwar einige Jahre zurück, ist jedoch phasenweise sehr präsent in seinem Leben. So hat er letztes Jahr die Weltersteinspielung des Stücks «String I» für Oboe solo für die CD «Michael Quell - Chamber Music - Vol. 3», erfolgreich über die Bühne gebracht. Die CD wurde in fünf (!) Kategorien für den OPUS KLASSIK nominiert. Dies ist für die Neue Musik äusserst bemerkenswert. Zurückversetzt in die Studienzeit hat ihn diese Arbeit aus zwei Gründen: Seit dem Studium hatte Benjamin Fischer nicht mehr so lange und intensiv an einem Stück arbeiten und üben müssen geübt. Es sei das anspruchsvollste, schwerste und schönste Stück, das er kenne! Im Rahmen eines Orchesterprojektes war er Anfang der 2000er Jahre an der HKB erstmalig von der Neuen Musik so richtig getriggert worden. Damals wurde das Werk «A l’île de Gorée» für verstärktes Cembalo und Kammerorchester von Iannis Xenakis einstudiert. Während letztes Jahr das 100-jährige Jubiläum des griechischen Komponisten gefeiert wurde, hat das «Ensemble New Babylon», in dem er spielt, sein 10-jähriges Bestehen gefeiert. Auf das Programm des Jubiläumskonzert im Bremer Konzerthaus «Die Glocke» setzte Benjamin Fischer eben dieses Werk, das ihm seit Studienzeiten in Erinnerung geblieben ist.

Der Oboist ist für die Grundlagen, die er damals im Rahmen seines Musiklehrerdiplom mit pädagogischer Komponente an der HKB erhalten hat, sehr dankbar. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit unterrichtet er in einem kleinen Pensum an einer Musikschule.

Wie kam es dazu, dass du dich für ein Musikstudium an der HKB entschieden hast und mit welcher Absicht oder mit welchem Ziel hast du das Studium begonnen?

Mein Ziel war es, Solist zu werden oder ins Orchester zu gehen! Ich hatte eine etwas naive Vorstellung und mich nicht gefragt, wie und ob ich davon leben könne. Das war vermutlich auch gut so. Zunächst habe ich also die Musiklehrerausbildung in Bern gemacht, damit ich unterrichten konnte. Danach habe ich in Lugano und Bremen eine künstlerische Ausbildung gemacht. Heute kann ich von der Musik leben.
Die HKB war meine erste Wahl, ich kannte den Professor. Bei einem Musikstudium sucht man sich oft die Dozent*innen aus und wählt entsprechend die Ausbildungsstätte aus. Mit Prof. Hans Elhorst hat es menschlich, fachlich und kommunikativ gestimmt. Ich hatte bereits ein paar Unterrichtsstunden bei ihm besucht und ich wusste, dass auch er mich gerne unterrichten wollte. Vor der praktischen Aufnahmeprüfung hatte ich keine Angst und die Theorieprüfung habe ich dann auch noch hinbekommen.

Gibt es ein Herzensprojekt oder ein besonderes Erlebnis, das du teilen möchtest? 

Ja! Über das Goethe Institut bin ich zweimal für sechs Monate nach Indonesien gereist und das hat nachhaltigen Einfluss auf mich und mein Wirken. Das erste Mal bin ich gleich nach meinem Abschluss 2011 nach Jakarta geflogen und habe mit den Menschen dort vor Ort also interessant und so konnte ich gleich als Solist auftreten. Damit bin ich künstlerisch aufgeblüht, es gab mir einen richtigen Schub an Selbstvertrauen in meine Musik und meine Technik. Ich habe dort Lehrer*innen ausgebildet. Es ist auch schön zu sehen, dass das Ganze nachhaltig ist: Ein 16-jähriger Indonesier hat bei mir angefangen und studiert heute Oboe in Graz.

Was war oder ist für dich die Herausforderung beim Lehrerberuf und gibt es etwas, das du (künftigen) Musikstudent*innen auf den Weg geben magst?

Als Lehrer*in muss man erkennen, warum etwas nicht funktioniert. Woran kann es liegen, dass der Student z. B. ein technisches «Problem» hat. Um dies zu erkennen, muss man sehr offen sein. Ich kann mich nicht immer auf die eigene Erfahrung berufen, denn jeder Mensch ist anders, hat andere Stärken, andere Schwächen. Mit der Zeit kann man schneller analysieren.

Ja, gerne gebe ich meine Learnings hier weiter. Ich finde es sehr wichtig, verschiedene Sichtweisen zu kennen, also viele Inputs zu suchen und offen zu bleiben. Man soll ganz viel hören, sowohl Konzerte als auch Aufnahmen und auch verschiedenste Spielweisen derselben Stücke zu hören, schult einem sehr gut. Das alles ist für den eigenen künstlerischen Werdegang extrem wichtig. So kann man sich und damit den eigenen Stil besser entwickeln und den eigenen künstlerischen Werdegang vollziehen. Nicht nur imitieren, sondern ein eigenes Künstlerisches Ich finden.

Das Gespräch führte Ursina Orecchio