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Remote Care Emmental verspricht Entlastung für Hausärzt*innen
03.03.2025 Ein BFH-Projekt untersucht, wie Telemedizin und digitale Vernetzung Hausärzt*innen auf dem Land entlasten können. BFH-Dozent und Co-Leiter Swiss Center for Care@home Sang-Il Kim umreisst das Vorhaben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die medizinische Grundversorgung auf dem Land ist in Gefahr.
- Eine Ursache ist der latente Fachkräftemangel im Gesundheitssektor.
- Ansätze wie Remote Care Emmental wollen Ressourcen besser und wirkungsvoller nutzen.
- Die BFH untersucht, wie diese Ansätze umgesetzt werden können.
Wie kam das Projekt «Remote Care in der Grundversorgung im Emmental» zustande?
Ein treibender Faktor hinter dem Projekt ist sicher der Fachkräftemangel, der besonders in ländlichen Gebieten stark ausgeprägt ist. Durch Remote Care, also die Betreuung von Patient*innen aus der Ferne, kann Zeit eingespart werden.
Mit der gleichen Menge Personal können so gleich viele oder sogar mehr Patient*innen betreut werden. Dieser Ansatz soll dazu beitragen, den Zugang zur Gesundheitsversorgung auch auf dem Land weiterhin aufrechtzuerhalten.
Jede Krankenhauseinweisung stellt einen grossen Aufwand für alle Beteiligten dar.
Was will das Projekt bewirken?
Das Projekt konzentriert sich auf die Verbesserung der akutmedizinischen Versorgung in Pflegeheimen. Ziel ist es, nachzuweisen, dass tiefergehende Diagnostik remote möglich und sinnvoll ist, sodass nicht immer eine Ärztin oder ein Arzt zwingend vor Ort sein muss. Besonders in Notfällen ausserhalb der regulären Arbeitszeiten soll vermieden werden, dass eine Ambulanz gerufen und Patient*innen ins Krankenhaus gebracht werden müssen.
Dies dient dem Wohl der Patient*innen, da jede Krankenhauseinweisung einen grossen Aufwand für alle Beteiligten darstellt und personelle sowie administrative Ressourcen bindet. Nicht zuletzt versucht das Projekt so, Pflegekräfte besser zu unterstützen und dadurch hoffentlich länger im Beruf zu halten.
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Können Sie konkrete Beispiele für telemedizinische Technologien im ambulanten Einsatz nennen?
Ein konkretes Beispiel für Remote Care ist der Einsatz von Computern auf mobilen Wagen, die heute schon bei Visiten in Krankenhäusern genutzt werden. Diese Wagen sind mit zusätzlichen Messgeräten wie Ultraschall ausgestattet und bieten die Möglichkeit zur Videokonsultation. Dadurch kann ein Arzt Patient*innen in Echtzeit sehen und beurteilen, ohne vor Ort sein zu müssen.
Ein weiteres Beispiel sind mobile Messungen von Vitaldaten in Kombination mit Telekonsultationen. Diese Technologien ermöglichen es, dass medizinische Leitstellen ausserhalb der regulären Arbeitszeiten entscheiden können, ob ein Patient ins Krankenhaus muss. Letzteres soll aber mit den neuen Live-Konsultationen nach Möglichkeit vermieden werden.
Es gibt jedoch noch offene Fragen zum Einsatz dieser Geräte. So muss geklärt werden, wie hoch die Kosten sind und ob die Geräte im Pflegeheim ausreichend genutzt werden, um die anfänglichen Investitionen zu rechtfertigen. Zudem ist noch unklar, wie praktikabel und anwenderfreundlich die Geräte tatsächlich sind. Auch dieser Aspekt der Remote-Konsultation muss weiter untersucht werden.
Mittelfristig wollen wir das elektronische Patientendossier (EPD) als Datenaustausch-Plattform nutzen.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Projekt?
Das Projekt hat grosses Potenzial, dennoch gibt es nicht viel Forschungsarbeit zum Thema. In Deutschland gibt es vergleichbare Initiativen, die ebenfalls in Pflegeheimen als Pilotprojekte durchgeführt werden. Bisher liegen jedoch noch keine abschliessenden Erfahrungen vor.
Ein entscheidender Faktor für den Fortschritt des Projekts ist die Finanzierung. Und die Industrie muss beteiligt werden. Dies ist für den Aufbau und die technische Weiterentwicklung enorm wichtig. Mittelfristig wollen wir das elektronische Patientendossier (EPD) als Datenaustausch-Plattform nutzen. So wollen wir die Informationsflüsse zwischen verschiedenen Akteuren ermöglichen. Es sollen nicht nur Patient*innen aufs EPD zugreifen, sondern auch Pflegefachkräfte und Ärzt*innen damit effizienter zusammenarbeiten können.
Wir haben das Projekt am 5. Januar 2025 beim Bundesamt für Gesundheit in dem Förderprogramm «Effizienz in der medizinischen Grundversorgung» eingereicht. Jetzt hoffen wir auf einen positiven Entscheid und dass wir am 1. Mai 2025 mit dem Projekt starten können.
Mehr über das Projekt «Remote Care in der Grundversorgung im Emmental»
Die medizinische Grundversorgung in ländlichen Regionen wie dem Emmental steht aufgrund des Fachkräftemangels vor wachsenden Herausforderungen, insbesondere in der Hausarztmedizin.
Das Projekt «Remote Care in der Grundversorgung im Emmental» will diesen mit modernen Technologien und verbesserten Arbeitsabläufen begegnen.
Es wird in Zusammenarbeit mit dem Pflegeheim Zentrum Schlossmatt, dem Spital Emmental Burgdorf, der Post Sanela Health AG, Roche Diagnostics, der Firma Riester und Docs-in-Cloud durchgeführt, wobei auch weitere Akteure wie Spitex und Hausärzte miteinbezogen werden sollen.
Die BFH ist mit dem Institut für Medizininformatik und dem Swiss Center for Care@home am innovativen Projekt beteiligt.