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«Wir beobachten eine Professionalisierung der Ernährungsberatung»
18.12.2024 Vor fünf Jahren hat die BFH den Master-Studiengang in Ernährung und Diätetik erstmals angeboten. Er ergänzte das Angebot des Bachelor-Studiengangs und der Weiterbildungen. Wir haben bei der Fachbereichsleiterin Andrea Mahlstein nachgefragt, welchen Einfluss diese Entwicklung auf die Ernährungsberatung hat und wie es um die Arbeit im Berufsfeld steht.
Das Wichtigste in Kürze
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Die Zahl der Ernährungsberater*innen in der Schweiz ist seit 2017 um etwa 35% gestiegen.
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Ernährungsberater*innen haben sich zunehmend spezialisiert, mit einem Anstieg an Master- und Doktorabschlüssen. Sie übernehmen zunehmend Forschungsaufgaben, was zuvor Mediziner*innen und Ernährungswissenschaftler*innen vorbehalten war.
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Trotz der zunehmenden Professionalität zeigt die Erhebung, dass die Zufriedenheit mit den Löhnen nur wenig gestiegen ist.
Andrea Mahlstein, wie viele Ernährungsberater*innen gibt es in der Schweiz?
Andrea Mahlstein: Im Oktober 2024 waren 2587 Personen im Nationalen Register der Gesundheitsberufe (NAREG) als Ernährungsberater*innen eingetragen. Das sind etwa 35 Prozent mehr als vor sechs Jahren. Dieser Berufsnachwuchs wurde zum grössten Teil an den drei einheimischen Hochschulen BFH, FFHS und HES-SO ausgebildet. Dazu erhielten in den vergangenen sechs Jahren etwa 125 Personen mit Abschluss im Ausland die Anerkennung als Ernährungsberat*in in der Schweiz.
Ernährungsberater*innen sind also gesucht?
Andrea Mahlstein: Das ist so. 114 von 122 unserer Absolvent*innen von 2020 bis 2022 arbeiteten sechs Monate nach Abschluss im Beruf. Nur eine Person, die nicht als Ernährungsberater*in arbeitete, war aktiv auf Stellensuche. Gemäss Berichten aus der Praxis ist es schwierig, Stellen in der Ernährungsberatung zu besetzen. Der Bedarf an Ernährungsberater*innen ist also da.
Wo sind denn die Ernährungsberater*innen tätig?
Andrea Mahlstein: Das grösste Berufsfeld von Ernährungsberater*innen stellt weiterhin die Tätigkeit in Akutspitälern, Rehabilitationskliniken und psychiatrischen Kliniken dar. Dieses Berufsfeld macht 45 Prozent aller Stellen aus. 33 Prozent der Stellen sind in Ernährungsberatungspraxen und in medizinischen Versorgungszentren vorzufinden. Weitere relevante Arbeitgeber sind Bildungsinstitutionen, die öffentliche Verwaltung, Non-Profit-Organisationen, die Industrie, der Homecare-Service und sonstige privatwirtschaftliche Unternehmen.
Wie hat sich der Beruf in den letzten Jahren entwickelt?
Andrea Mahlstein: Wir beobachten eine Professionalisierung der Ernährungsberatung und eine Spezialisierung der Berater*innen. Aktuell verfügen 10.5 Prozent aller Ernährungsberater*innen über einen Master-Abschluss (Master of Science). Auch die Anzahl an Ernährungsberater*innen mit Doktorat hat zugenommen. Diese Entwicklung ermöglicht es uns, neue und anspruchsvolle Rollen im Berufsfeld einzunehmen. Beispielsweise konnten in den letzten Jahren im klinischen Setting erste Stellen für Advanced Practice Dietitians und Therapieexpert*innen geschaffen werden.
Ernährungsberater*innen mit höherem Bildungsabschluss führen zudem selbst Forschung durch – eine Tätigkeit, die früher nur Mediziner*innen und Ernährungswissenschaftler*innen vorbehalten war. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir als Fachhochschulen selbst aktiv forschen und diese wissenschaftliche Arbeitsweise im Studium verankert haben.
In den letzten sieben Jahren hat auch die Anzahl absolvierter Weiterbildungen bei Berufsangehörigen zugenommen, was zeigt, dass sich Ernährungsberater*innen vermehrt spezialisieren und ihre berufliche Tätigkeit darauf ausrichten.
Die Berufsstatistik 2024
2017 wurden zuletzt berufsstatistische Daten von Ernährungsberater*innen erhoben und publiziert. Im Auftrag des Schweizerischen Verbands der Ernährungsberater/innen (SVDE) führt die BFH die Berufsstatistik im Jahr 2024 erneut durch. Dabei wird die Aus- und Weiterbildungssituation von Ernährungsberater*innen und deren aktuelle Erwerbssituation inklusive der fachlichen Schwerpunkte im Berufsalltag erhoben. Eine allgemeine Einschätzung der Attraktivität des Berufes rundet das Projekt ab. Die Daten der Berufsstatistik werden im Frühjahr 2025 verfügbar sein.
Wie steht es um die Arbeitsbedingungen?
Wenn man den Lohn als Indikator nimmt, dann zeigt sich ein wenig zufriedenstellendes Bild: In der aktuellen Erhebung der Berufsstatistik sagen 38 Prozent der teilnehmenden Personen, dass die Angemessenheit des Lohns nicht oder wenig gegeben ist. Vor sieben Jahren war diese Zahl mit 37 Prozent auf dem gleichen Niveau. Es hat sich also gemäss den Einschätzungen der Berufsgruppe nichts geändert.
Im vergangenen Jahr konnte der Schweizerische Verband der Ernährungsberater*innen SVDE jedoch eine 10-prozentige Erhöhung des Taxpunktwertes für freiberufliche Ernährungsberater*innen erreichen. Das ist ein wichtiger Meilenstein zur Verbesserung der Einkommenssituation. Trotzdem stellt dies nur ein erster Schritt hin zu einem fairen Einkommen im freiberuflichen Setting dar. Ich freue mich darum, dass der SVDE weitere Schritte hinsichtlich Tarifverhandlungen plant.
Was ist Ihre Einschätzung für die nächsten Jahre? Wohin entwickelt sich die Ernährungsberatung?
Es gibt viele potenzielle Arbeitsbereiche ausserhalb der Klinik und der Praxis, beispielsweise in der Gesundheitsförderung und Prävention oder in der Gemeinschaftsgastronomie. Aber auch innerhalb des therapeutischen Bereichs gibt es Entwicklungsmöglichkeiten, besonders in Alters- und Pflegeheimen oder bei ambulanten Diensten. Ich rate unseren Absolvent*innen, bei der Stellensuche auch mal «outside the box» zu denken und sich spontan in Organisationen zu bewerben. Denn Ernährung spielt in vielen Bereichen unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle.
Obwohl es uns gelungen ist, die Ausbildungsabschlüsse zu steigern, beobachten wir in den letzten Jahren zurückgehende Anmeldezahlen für das Bachelor-Studium. Ich weiss, dass die Ernährungsberatung ein abwechslungsreicher, stimulierender und sinnvoller Beruf ist. Wir müssen dies noch besser kommunizieren und die Attraktivität weiter steigern.