HKB-Studentin Camille Santacroce befragt

05.06.2024 Sie schliesst diesen Sommer den Bachelor in Jazz & Contemporary Music in Gesang ab: Camille Santacroce erzählt über ihren Werdegang, ihre Erfahrung an der HKB und wo es sie danach hinzieht.

Portrait von Camille Santacroce. Die junge Frau sitzt auf einem schwarzen Sofa und blickt mit Kaffeebecher in der Hand direkt in die Kamera. Camille lacht.
Camille in Eingangsbereich der Jazz-Räumlichkeiten in Bern. Foto: HKB / Tina Schück

Camille Madeleine Santacroce empfängt uns am Sulgenrain 24, wo Studierende des Musikbereichs Jazz & Contemporary Music kleinere und grössere Übungsräume nutzen dürfen. Es ist ein frischer, regnerischer Frühlingsmorgen und es stört uns nicht, uns mehrheitlich drinnen aufzuhalten. Es herrscht eine ruhige und kreative Stimmung im Gebäude. 

Camille, wie bist du als französischsprachige Schweizerin auf die HKB gestossen? 

Ich habe das Precollege hier in Bern gemacht, das den Einstieg ins Bachelorstudium ermöglicht. Ein Teil in mir hatte Lust, die Romandie zu verlassen, ein bisschen Schweizerdeutsch zu lernen und etwas Neues zu sehen. Auch die Stadt, in der ich wohnte, hatte vom Studium her nicht zu bieten, was ich mir vorgestellt hatte. Die künstlerische Leitung der Schule dort gefiel mir weniger. Ziemlich schnell fand ich, dass die HKB der richtige Ort für mich war. 

Jetzt stehst du am Ende deines Bachelorstudiums, hast deine Thesis geschrieben und befindest dich auf der Zielgeraden zum Diplomkonzert. Was gibt es für ein solches Konzert vorzubereiten? 

Das Ende des letzten Semesters des Bachelors ist intensiv, weil wir die Diplomarbeit schreiben und ein Bachelorabschlusskonzert vorbereiten müssen. Wir können ausserdem bei Konzerten unserer Kolleg*innen mitmachen und deshalb ist es möglich, dass wir drei, vier Konzerte vorbereiten müssen.

Dabei sollte man nicht zu «anspruchsvoll» mit sich selbst sein, gerade weil es ein Jahr ist, das sehr voll ist. Man hat dieses Bild vom Bachelor-Konzert, das etwas sehr Perfektes, Wunderschönes sein muss, aber eigentlich muss man einfach versuchen, zu tun, was man kann. Und das bedeutet, mit Musikern und Musikerinnen zu spielen, mit denen man sich gut versteht. Ich habe versucht, mit verschiedenen Leuten zu spielen, um zu sehen, mit wem es funktioniert, und dann einfach Songs ausprobiert. Für mich ist es tatsächlich das erste Mal, dass ich Songs schreibe und sie auf diese Weise mit Leuten spiele. Da war ich anfangs sehr schüchtern. Ich glaube, es macht mir immer noch etwas Angst, aber ich denke, es ist eine Gelegenheit, um vielleicht auch einmal auf die Schnauze zu fallen, um dann zu sehen, was funktioniert und was nicht. Auch wenn dieses Konzert auch eine Prüfung ist und damit eine akademische Seite hat, ist es eine gute Gelegenheit, Verschiedenes auszuprobieren.

Man merkt, ob man es gerne macht und ob man sich auf der Bühne wohl fühlt. Ich werde mich bei einem Lied auf dem Klavier begleiten und bei einem anderen auf der Gitarre. 

Seit wann singst du und wie hast du herausgefunden, dass Jazz «dein Ding» ist? 

Meine Eltern haben mir oft gesagt, dass ich als Kind viel gesungen habe und es mochte. Ich war in vielen Chören und meine Eltern haben auch viel gesungen! In meiner Jugend habe ich eine Zeit lang nicht mehr so viel gesungen, weil es mir ein bisschen peinlich war. Ich habe auch Instrumente gespielt: Zuerst die Geige und dann die Gitarre. Beim Gitarrenspiel drängte mich mein Lehrer in einem positiven Sinne zum Singen. Da habe ich mich wieder ein bisschen gefangen und vor allem wieder allein gesungen. Ich habe gemerkt, dass ich das Singen mag. Ich hatte Glück, weil meine Eltern mir vorgeschlagen haben, später Gesangsunterricht zu nehmen und das habe ich dann auch getan. Das mit dem Jazz hat sich so ergeben, denn bei den Gesangsstunden, die ich in Yverdon genommen habe, gab es ein bestimmtes Repertoire, das man machen musste und ein Semester war dem Jazz gewidmet.

Ich hatte Lust, dass die Musik permanent in meinem Leben bleibt. Und so wurde mir bewusst, dass ich Musik studieren will. Allerdings war ich zunächst noch unschlüssig, welches Instrument ich nehmen wollte. Gitarre oder Gesang? Und dann habe ich mich schliesslich für Gesang entschieden und finde es super. Ich bin vor allem superglücklich, weil ich denke, dass sich meine Vision von dem, was Jazzgesang ist, von dem, was Jazzmusik überhaupt ist, sehr erweitert hat, seit ich an der HKB studiere. Denn die Schule bietet wirklich eine Möglichkeit, sich für viele verschiedene Genres zu öffnen und auch mit der Stimme zu experimentieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Instant Composing oder freie Improvisation machen würde. Ich hätte nicht gedacht, dass mich das interessieren und mir Freude bereiten würde. Und es ist tatsächlich so, dass man all diese Dinge ausprobiert und manchmal ein bisschen getrieben wird, sobald man merkt, dass es einem gefällt. 

Man hat dieses Bild vom Bachelor-Konzert, das etwas sehr Perfektes, Wunderschönes sein muss, aber eigentlich muss man einfach versuchen, zu tun, was man kann.

Camille Santacroce, Absolventin Bachelor Jazz and Contemporary Music

Wie werdet ihr von der HKB in dieser Endphase begleitet? Sind es die Lehrpersonen, die mit euch einen Song entwickeln? Oder kommt der jeweils «nur» von euch? 

Für das Bachelorabschlusskonzert ist, glaube ich, das Ziel, dass wir ganz allein ein Projekt machen. Selbstverständlich können wir die Hilfe unseres Hauptinstrumentallehrers in Anspruch nehmen. Mir hat meine Lehrerin sehr geholfen: Ich zeige ihr meine Kompositionen, wenn ich zum Unterricht gehe und sage ihr so Dinge wie «Ich habe mir überlegt, das so zu machen, aber ich komme damit nicht weiter. Wie könnte ich die Melodie interessanter gestalten?». Wenn ich also Probleme habe, weiss ich, dass ich auf sie zählen kann.

Ich denke, es geht darum, dass man versucht, selbst zu komponieren und ein bisschen zu entdecken. Was ist seine eigene Musik in diesem Moment? Das bedeutet nicht unbedingt, dass man jetzt eine musikalische Identität behaupten und sagen muss, das ist das, was ich als Musik machen möchte. Aber ich denke, es sollte ein erster Entwurf von dir, deiner Musik und deiner Musikalität sein. Die Schule begleitet uns und bietet die Möglichkeit, zwei, drei Mal zu testen, wenn wir erste Auftritte machen wollen. Zum Beispiel haben wir Festivals, die organisiert werden: das Pop-up-Festival, wo man sich anmelden kann, das ist ziemlich offen für alle Projekte.

Was machst du nach dem Bachelor?  

Ich werde nach meinem Bachelor einen Master in Performance machen, weil ich immer noch Lust habe, viele Dinge von dieser Schule aufzunehmen. Ich habe das Gefühl, dass ich wie ein Schwamm bin. Man erhält viele Informationen und Inputs, aber hat nicht unbedingt die Zeit, dies alles in die Praxis umzusetzen. Drei Jahre vergehen so schnell! Ich brauche jetzt ein bisschen Zeit, um über all das nachzudenken.  

Der Master in Performance ist für mich die perfekte Fortsetzung dieser drei Jahre, ich würde mich jetzt nicht auf eigenen Füssen stehen sehen. Es gibt noch viele Lehrer*innen, mit denen ich gerne zusammenarbeiten und mich austauschen möchte.  

Ich möchte noch mehr Erfahrung sammeln. Ich denke, dass der Master in Performance Werkzeuge für das wirkliche Leben als Künstler*in mitbringt: Man hilft uns auch dabei, eine Website und ein Portfolio zu erstellen. Und wenn man unterrichten will, kann man den Abschluss in Pädagogik machen. Der Master in Pädagogik öffnet eindeutig Türen und macht es leichter, sein Leben als Lehrer*in zu leben.

Hast du einen Traum in Bezug auf deine Musik, vor so vielen Leuten zu singen oder auf einer bestimmten Bühne mit bestimmten Musiker*innen zu singen?  

Ich habe meine musikalische Praxis nie als ein absolutes Ziel wahrgenommen, das es zu erreichen gilt. Ich glaube, es ist eher so, dass ich sehr glücklich und dankbar wäre, wenn ich davon leben könnte. Es ist ein Privileg und ein Luxus, von seiner Passion zu leben. Im Moment macht es für mich einfach am meisten Sinn, Musik zu machen. Auf jeden Fall ist es etwas, wo ich mich gut fühle – ich habe das Gefühl, am richtigen Ort zu sein. Ich habe eher kleine Träume als einen grossen Traum. Vielleicht in ein paar Jahren am Cully Jazz oder anderen kleinen Schweizer Bühnen zu spielen.  

Ich brauche Zeit, um zu wissen, was ich als Musikerin machen will und in welche Projekte ich mich vollkommen investieren möchte. Ich bin noch sehr jung und möchte mir Zeit nehmen, um über meine künstlerische Praxis nachzudenken. Dafür ist die Schule auch da. Es ist wichtig, diese Perspektive zu behalten. Ja, es wäre toll, ein bisschen berühmt zu werden und von seiner Musik leben zu können, aber man sollte die Dinge für sich selbst tun, um von den eigenen Zielen überzeugt zu bleiben und sich nicht zu sehr vom Musikbusiness beeinflussen lassen.

Die dunkelhaarige Frau sitzt am Flügel, der den Deckel geöffnet hat. Ihre Augen sind geschlossen, sie wirkt konzentriert und entspannt zugleich.
Camille sitzt am Flügel des grossen Proberaums am Sulgenrain. Foto: HKB / Tina Schück